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Sachtexte

 

Heinz Droßel

Die Zeit der Füchse

Die Widmung in meinem Exemplar lautet:

Mein Vater am Tag meiner Erstkommunion, am 7. April 1929:
„Bleib immer ein Mensch, mein Junge,
und anständig, auch in schweren Zeiten –
und selbst dann, wenn es Opfer von dir fordert.“

Auf der Rückseite des Buches sehen wir Heinz Droßel; der Botschafter Israels überreicht ihm die Auszeichnung „Gerechter unter den Völkern“.
Es ist der 4. Mai 2000. Der 4. Mai ist für Heinz Droßel ein wichtiges Datum, am 4. Mai 1946 heiratete er die Frau, die er vor der Selbsttötung bewahrte – eine verzweifelte jüdische Mutter, einsam in Berlin, von den Kindern durch die Nazis getrennt.

Kurz vor Kriegsende, Heinz Droßels Einheit liegt vor einem Ort in Tschechien, "totales Durcheinander. ... Als ich wach werde, ist es Nacht ... Neben mir liegt mein Feldwebel...: „Herr Oberleutnant, ich hab den Weg – ein prima Fluchtweg. Übrigens Hitler ist tot!“
Im Laufe des Tages wird Herr Droßel mit seiner Einheit zu einer selbstmörderischen Aktion gezwungen, schließlich lässt er das Feuer auf die hinterhältige SS eröffnen, diese flieht aus der kurz vor der Einnahme durch die Russen stehenden Ortschaft. Daraufhin wird er von einem Standgericht zum Tode verurteilt. "Mich sperrt man in einen Hasenstall. ... Ich werde wach, als sich einer mit dem Schloss zu schaffen macht, ... „Herr Oberleutnant wir sind die letzten Deutschen...“ Ich schaue zur Uhr: 23.45 Uhr. ... Ich strecke mich – die Freiheit hat mich wieder, noch am 4. Mai – wie lange noch?"

Wieder der 4. Mai. Es ist ein seltsamer Zufall, dass ich (der Autor) am 4. Mai Geburtstag habe.

Seinem Buch gibt Heinz Droßel den Untertitel Lebenserinnerungen aus dunkler Zeit. Seine Erlebnisse erhellen uns diese Zeit, und es wird deutlich, dass jeder einzelne die Möglichkeit hatte, sich anders, menschlich, zu verhalten. Heinz Droßel erzählt von solchen Geschehnissen:

Von Anfang an lehnt er die Nazis ab, sein Vater hält ihn zu kritischer Distanz an, bei der Machtübernahme ist er 16 Jahre alt.
Sein Leben in der Nazizeit ist durchzogen von widerständigem Verhalten, so geht er auf die Gestapo, um einen Bekannten zu suchen – „Seien Sie nie wieder so neugierig, mein Freund – es könnte sein, dass sie nicht wieder so schnell hier herauskommen,“ so ein SS-Offizier zu ihm.
Ebenfalls hält er die Freundschaft zu einem jüdisch-polnischen Mitschüler, trinkt mit ihm trotz des Verbots im Restaurant einen Abschiedskaffee.
Im Krieg häufen sich die schrecklichen Erlebnisse – er wird Zeuge eines Massakers an Juden.

Dagda: Ein Mann, die Mündung seiner Pistole im Genick eines vielleicht sechsjährigen Kindes – ein Knall – der Mann stößt den kleinen Körper mit einem Fußtritt in die Grube, tot oder lebendig. Dieses Kind wird er sein Leben lang vor sich sehen, so wie einen grausam vorgeführten alten Juden, noch heute schämt er sich, nicht eingegriffen zu haben.

Doch Herr Droßel handelt auch. So rettet er einen russischen Kommissar, verhindert die Ermordung von russischen Kriegsgefangenen. Im Buch werden noch zahlreiche andere Erlebnisse Heinz Droßels erzählt, auch die Rettung von vier untergetauchten Juden in Berlin im Frühjahr 1945.

Dass Heinz Droßel – sehr spät, zu spät – das Bundesverdienstkreuz verliehen bekam, verwundert nach der Lektüre seiner Lebenserinnerungen nicht allzu sehr.

Ich habe nur einen Bruchteil dessen, was das 256-seitige Buch beinhaltet, angeprochen , denn jeder sollte es selbst lesen.

Uli Weissberger, 14.8.2003