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Ulrich Fischer-Weissberger

Lehrer am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Waldkirch

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Ein interessanter Link : Unter Artikel befindet sich auch etwas zu den Wandbildern.

 

Artikel und Leserbriefe zu den Nazibildern im Rathaus von Waldkirch
Badische Zeitung vom Freitag, 23. Mai 2003

NS-Wandbilder sind restauriert
Im Waldkircher Rathausflur


WALDKIRCH (wal). Restauriert wurden in den vergangenen Tagen die umstrittenen NS-Wandbilder im Flur des Waldkircher Rathauses. Mitarbeiter der Freiburger Fachfirma Grether festigten die an vielen Stellen locker gewordene Malschicht und konservierten den Putz. Dabei wurde auch ein Fresko aus dem 19. Jahrhundert freigelegt.
Die monumentalen Wandgemälde des Waldkircher Kunstmalers Josef Schroeder-Schoenenberg mit dem Titel "Kampfbereitschaft um Scholle und Familie" und "Die neue Zeit" waren während des Dritten Reichs entstanden. Nachdem sie 1945 zunächst übertüncht und 1956 wieder freigelegt wurden, beschloss der Gemeinderat nach vielen Debatten 1988 sie zu erhalten und mit Kommentaren zu versehen.

 

Simonswald am 5. Juni 2003
Heinz Droßel
Präsident des Sozialgerichts a.D.


Leserzuschrift zum Artikel "NS-Wandbilder sind restauriert" in der
Badischen Zeitung vom 23.05.2003 und Zuschriften vom 05.06.03.


Erfreulicherweise behalten wieder einmal aufrechte Waldkircher Bürger ihren Zorn über eine vor 15 Jahren getroffene unverständliche Entscheidung ihrer Kommunalvertreter nicht für sich, sondern empören sich öffentlich über einen in der Bundesrepublik wohl einmaligen Skandal.Dieser nationalsozialistische Monumentalkitsch gehört im dritten Jahrtausend auf den Sperrmüll einer unrühmlichen Vergangenheit und Nicht "zur stolzen Erinnerung liebevoll durch Restaurierung gepflegt" in ein demokratisch gewähltes Rathaus einer deutschen Stadt. Im Übrigen betrachte ich als Frontsoldat ( fünf Jahre Frontdienst in Frankreich und Russland ) diese Darstellung als unverfrorene Werbung für einen verbrecherischen Krieg - Krieg kann man nachvollziehen in Frontlazaretten - und persönliche Beleidigung. Die freundlichen und hilfsbereiten Bürger dieser hübschen und interessanten, alten Stadt haben sicher besseres verdient, als bei einem Gang auf ihr Rathaus mit dem verlogenen und geistlosen Elaborat des übelsten Teils seiner Vergangenheit konfrontiert zu werden.


Heinz Droßel , Simonswald

Träger des Bundesverdienstkreuzes

 

Entsetzt und fassungslos

Der Kontrast hätte größer kaum sein können: Ich kam gerade von einer Exkursion nach Warschau und Treblinka zurück, den Stätten hunderttausendfacher Morde, verübt während des Zweiten Weltkrieges durch Deutsche. Und dann schlage ich die Badische Zeitung auf: NS-Wandbilder sind restauriert". Dazu das Nazi-Propaganda-Wandgemälde von Schroeder-Schoenenberg im Waldkircher Rathausflur mit dem Titel "Kampfbereitschaft um Scholle und Familie . Ich war entsetzt und fassungslos, obwohl ich das Konfliktthema ja seit langem kenne.

Die Studienreise nach Warschau war von der Gesellschaft "Gegen Vergessen - Für Demokratie" unter ihrem Vorsitzenden Hans Koschnick organisiert worden. Äußerer Anlass war der 60. Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Getto, der am 19. April 1943 begann, nachdem bereits etwa 300 000 Juden aus dem Getto in die Vernichtungslager deportiert worden waren. Beim "Warschauer Aufstand" handelte es sich um die größte bewaffnete Widerstandsaktion verfolgter Juden in Osteuropa. Der Aufstand wurde von den Deutschen brutal niedergeschlagen und der Gettobezirk dem Erdboden gleichgemacht. Soweit sie nicht schon vorher ermordet worden oder während der Gettokämpfe gefallen waren, wurden die Warschauer Juden zur Vernichtungsstätte Treblinka verbracht, etwa 80 Kilometer nordöstlich von Warschau. Dort wurden sie sogleich nach ihrer Ankunft vergast.

Man muss sich in Erinnerung rufen: Sowohl das Warschauer Getto als auch die Mordstätte Treblinka konnten nur eingerichtet werden, weil die deutsche Wehrmacht zuvor Polen erobert hatte und weil sie in den darauf folgenden Jahr weiter nach Osten vorrückte und dort die Front hielt. In Warschau begegnet einem die Geschichte von Krieg und Holocaust auf Schritt und Tritt, von Treblinka gar nicht zu reden: Gedenkstätten, Mahnmale, das große Erinnerungsmal an den Getto-Aufstand - und jetzt, in Messing gegossen, jene Szene, als Bundeskanzler Willy Brandt 1970 auf einer Stufe dieses Mahnmals niederkniete und damit als Deutscher seine Scham über das schreckliche Geschehen zum Ausdruck brachte.

Ja, und dann also der Waldkircher Nazi-Schinken, der symbolisch die Täter präsentiert, nicht die aus dem Elztal, sondern ganz allgemein den Wehrmachtsoldaten mit dem typischen Stahlhelm, Maschinengewehr, Panzerfaust, Munitionskästen und anderem Kriegsgerät. Kampfbereit für Scholle und Familie?" In Warschau? In Kaunas? In Leningrad? In Stalingrad? Im Kaukasus? Inzwischen wissen wir doch, was Kriegspropaganda bedeutet, wie sie damals verwendet wurde und wie man sich ihrer auch heute bedient.

Seit der Beschlussfassung über den kommentierten Erhalt des Nazi-Bildes Im Rathaus 1988 Ist viel geschehen: Seit Mitte der 90er-Jahre wandert die Wehrmachtausstellung durch die deutschen Städte: "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944", 2000 geändert in "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 bis 1944".

Bekanntlich hat diese Ausstellung - demnächst in Schwäbisch-Hall zu sehen - in unserer Republik einen großen gesellschaftlichen Lernprozess bewirkt. Das Bild einer sauberen" Wehrmacht gibt es nicht mehr. Könnte das vielleicht auch für Waldkirch ein Anlass sein, die ganze Angelegenheit nochmals zu überdenken? Nazi-Propaganda im Rathaus einer demokratischen Gemeinde - kann man damit wirklich leben? Oder müssen wir noch so lange warten, bis sich eine neue Generation dieser Peinlichkeit annimmt?

Prof. Dr. Wolfram Wette, Waldkirch

NS-WANDBILDER

Ein weiterer Leserbrief zu den restaurierten NS-Wandbildern im Waldkircher Rathaus (BZ vom 25. Mai).

Lieber an den Widerstand erinnern!

Josef Schroeder-Schoenenberg trat am 1 . Mal 1937 in die NSDAP ein. Er hat sich "nach Mitteilung des Bürgermeisters von Elzach bei der Judenverfolgung (Türkheimer) besonders hervorgetan". Die Familie Türkheimer konnte noch rechtzeitig in die USA fliehen. Durch sein rassistisches und faschistisches Verhalten fiel Schroeder-Schoenenberg unter die Verordnung Nr. 44 vom 28. Mai 1946 über die Aufstellung von Wählerlisten für deutsche Wahlen". Ihm wurde das passive und aktive Wahlrecht entzogen, da es gerechtfertigt erscheint insbesondere diejenigen, welche Deutsche oder Fremde wegen ihrer poltischen Gesinnung, Rasse oder Religion angezeigt oder verfolgt haben" von der Wahl auszuschließen. Sein Einspruch beim Berufungsausschuss in Emmendingen wurde am 14. August 1946 abgelehnt.

Er unterstützte als Denunziant und aktives NSDAP-Mitglied die Faschisten und ihre rassistische Ideologie. Durch Leute wie ihn war es den Nationalsozialisten möglich, ihre Rassenpolitik durchzuführen. Am 25. November 1942 fand in Waldkirch eine Gemeinderatssitzung unter dem stellvertretenden NS-Bürgermeister Stanislaus Göppert statt. Tagesordnung war Ehrenplatz für die Gefallenen des jetzigen Krieges". Schroeder- tat sich durch Eigeninitiative hervor, indem er auf dem alten Friedhof einen Ehrenheldenhain" errichten wollte. Das Kampfblatt der NSDAP, Der Alemanne, schrieb im Oktober 1943 dazu: "Es wird etwas Einmaliges sein, was der Künstler erdacht und bereits der Verwirklichung entgegenführt. Er betrachtet es als seinen Kriegsbeitrag, die Gestalten der Waldkircher Helden nach Fotografien in Bildern für alle Zukunft festzuhalten... und dem Bürgermeisteramt als Geschenk in Verwahrung zu geben." Zu diesem Zeitpunkt waren schon mehr als 100 Waldkircher in Folge des faschistischen Krieges umgekommen. 1943 war das erste Jahr des totalen Kriegseinsatzes im gesamten Reich. Die Blut- und Boden-Bilder im Waldkircher Rathaus kommentiert Der Alemanne" so: "So wirken auch seine Werke... im stilvoll-schönen Rathaus zu Waldkirch vornehm, gediegen und doch zeitnah, denn Schröder-Schönenberg hat das große Geschehen vom Freiheitskampf und der Behauptung des deutschen Volkes in den Mittelpunkt seiner Bildgebung gerückt."

Josef Schroeder-Schoenebergs faschistischer Beitrag wurde in der Deutschen Allgemeinen Zeitung, in der Pariser Zeitung, in der Leipziger Illustrierte und so weiter als Durchhalteparole für den totalen Krieg eingesetzt. Er malte Hitlerporträts und Propagandazettel, wie zum Beispiel "Dein Licht Verräter". Warum werden im Waldkircher Rathaus erneut so distanz- und geschichtslos die Werke eines NS-Täters restauriert und der Öffentlichkeit wiederum das ganze als pädagogischer Beitrag verkauft? Wo ist das Erinnern an diejenigen Waldkircherinnen und Waldkircher, die Opfer des NS-Terrors wurden?

Wo ist das Erinnern an diejenigen, die sich mit der faschistischen deutschen Volksgemeinschaft, deren Rassenideologie und Konzentrationslager nicht abgefunden haben, sondern vielfältigen Widerstand leisteten? Um einige Waldkircher und Kollnauer Namen zu nennen: Hermann Licht, August Stöhr, Ludwig Kleebach, Hans Dezulian, Carla Cuntz, Hermann Krieg, Fritz Pfeifer, Franz Pfeifer, Josef Ketterer Georg Biesinger, Emilie Walz Constantin Walz, Rudolf Resch, Hermann Krieg und viele mehr. Wo ist die Straße, das Gebäude, die Schule, der Saal und so weiter, die nach den Menschen, die im Widerstand waren, benannt ist? Eine Geschichtsaufarbeitung vom Gesichtspunkt des Widerstandes gegen die NS-Herrschaft erklärt für die Zukunft allemal mehr als der Erhalt von NS-Blut- und Boden-Bildern im Waldkircher Rathaus, die dazu das Wirken eines überzeugten Antisemiten, Rassisten und Befürworter von Konzentrationslagern verherrlicht. Die NS-Propaganda gehört nicht in das Waldkircher Rathaus! Mehr Informationen dazu: NS-Propaganda in Waldkirch, Heft 1, Aus der Reihe Widerstand und Arbeitergeschichte Waldkirch. Zu bestellen über: A. Bannwarth, Mühlenweg 6, Waldkirch

Für den Arbeitskreis Widerstand und Verfolgung Waldkirch

Martina Reich, Walter Schlecht, Dirk Metzeler und Armin Bannwarth

Zum Artikel in der Waldkircher Volkszeitung vom 23.5.2003

Bilder gehören ins Museum und nich ins Rathaus

Seit der skandalösen Entscheidung, die NS-Propaganda-Bilder im Waldkircher Rathaus zu erhalten, sind nunmehr 15 Jahre vergangen. Diese Entscheidung zu überdenken, ist meiner Meinung überfällig, da es für jeden Bürger unserer Demokratie unerträglich sein sollte, dass an dem Ort, an dem die kommunale Demokratie in Waldkirch stattfindet, uns u.a. Soldaten begegnen, die den Nazi-Vernichtungskrieg gegen jüdische Familien, gegen sowjetische, polnische und andere Soldaten und Zivilisten führten.
So etwas gehört in ein Museum, wo es mit der Wirklichkeit der Naziverbrechen konfrontiert wird.  So äußerte sich Herr Dr. Ernest Günter Fontheim, ein von Herrn Droßel aus Simonswald während der Nazizeit geretteter Jude, als ich ihn auf den Artikel in der Badischen Zeitung ansprach. Es sei empörend, die Nazizeit gehöre zwar zur Geschichte, aber ihre menschenverachtende Propaganda dürfe an einem solchen Ort wie einem Rathaus nicht ausgestellt werden.
Im weiteren Verlauf unseres Gesprächs versicherte mir Herr Fontheim, der mehrere Jahre sich vor der Gestapo und anderen Häschern der Nazis verstecken musste und dessen Angehörige von den Nazis ermordet wurden, dass die Nazi-Zeit in ihrem tatsächlichen Erscheinen nicht ausgeklammert werden dürfe  dies geschehe leider allzu häufig -, aber solche Bilder wie im Waldkircher Rathaus zeigten nichts, was sich wirklich ereignet habe.
Sie sind nur der Schein, hinter dem sich die Mörderfratze der Nazis versteckt, dies können auch die im Artikel angesprochenen Kommentare nicht verändern.

Uli Fischer-Weissberger, Kolleginnen und Kollegen und Mitglieder des Geschichtsprojekts am Geschwister-Scholl-Gymnasium