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Ulrich Fischer-Weissberger

Lehrer am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Waldkirch

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Artikel zur Veranstaltung: Genozid in Litauen
Badische Zeitung vom Samstag, 31. Januar 2004

Gegen das Vergessen

Veranstaltung des Geschwister-Scholl-Gymnasiums erinnerte an den Völkermord in Litauen

Von Christian Thol

WALDKIRCH. "Es gibt Dinge, über die man nicht hinwegkommen kann", sagt Heinz Droßel. Um aber an sie zu erinnern, fand am Dienstagabend in der Stadthalle eine Gedenkveranstaltung des Geschichtsprojektes des Geschwister-Scholl-Gymnasiums zum "Völkermord in Litauen" statt. Viele Besucher - junge und alte gleichermaßen - kamen.

Die dem Projekt angehörige Gruppe von Schülern unter der Leitung von Ulrich Fischer-Weissberger hatte die Zeitzeugen Margarete Holzmann, Heinz Droßel und die Gründerin des Hilfsfonds "Jüdische Sozialstation e.V. Ghetto-Überlebende Baltikum", Margot Zmarzlik, eingeladen. Diese Gäste und Schüler der Geschichts-AG schilderten den Anwesenden in erschreckenden Worten die Situation in Litauen in der Zeit des Nationalsozialismus.

Nach der Einleitung durch den Schulleiter Helmut Strittmatter las ein Schüler aus "Primo Levi - Ist das ein Mensch?". Eingespielte Klezmer-Musik, die in einem Ghetto entstanden war, ließ eine bedrückende Atmosphäre, ein Gefühl der Betroffenheit, entstehen. Die Veranstaltung setzte sich abwechselnd aus Beiträgen der Schüler und Beiträgen der geladenen Gäste zusammen. Mehrere hunderttausend Juden aus Litauen kamen während der Kriegsjahre um, wurden Opfer der Deutschen und der kollaborierenden litauischen Behörden. Am meisten betroffen waren Vilnius und Kaunas - insgesamt überlebten nur acht Prozent der in Litauen ansässigen Juden.

Für jene Überlebenden setzt sich heute der Hilfsfonds "Jüdische Sozialstation e.V. Ghetto-Überlebende Baltikum" ein. "Wir haben ein soziales Netz aufgebaut. Wer krank ist, Medizin oder eine Therapie braucht, dem helfen wir", berichtete Margot Zmarzlik. Jährlich leite der Fonds 60 000 Euro für die Therapie Pflegebedürftiger, für Medikamente und die Rehabilitation nach Litauen weiter. In einer Präsentation aus etwa 150 Bildern zeigten Schüler der Geschichts-AG die Verbrechen an den Juden in Litauen und spielten Ausschnitte aus einem Interview mit einem Überlebenden ein. Zwei weitere Schüler berichteten über die Geschehnisse in Kaunas.

Anschließend las Margarete Holzmann aus dem Buch ihrer Mutter Helene, "Dies Kind soll leben", und vergegenwärtigte den Anwesenden damit in eindrucksvoller Art und Weise den Einfluss des Nationalsozialismus auf das Leben in Litauen. Sie und ihre Mutter überlebten den Krieg unter anderem durch den häufigen Wechsel ihrer Wohnung, ständig auf die Hilfe von gutwilligen Litauern angewiesen. Ihr Vater und ihre Schwester Marie wurden ermordet. Leider wurde dieser Teil des Abends davon überschattet, dass eine Gruppe Neonazis ein Transparent im Saal entrollte (die BZ berichtete). Margarete Holzmann setzte ihre Lesung fort, im Anschluss daran stellten zwei Schüler die Ergebnisse ihrer Recherchen zum Schicksal von Münchener Juden dar. Um auch die Täterseite zu beleuchten, verlas eine Schülerin Zitate von Karl Jäger, einem Nazi-Verbrecher aus Waldkirch. Dem wurden Aussagen einer Waldkircherin von 2001 gegenüber gestellt, die Jäger als "netten Mann" charakterisierte.

Nach der Veranstaltung sagte Heinz Droßel, der selbst Augenzeuge im Baltikum in jener Zeit war und heute in Simonswald lebt: "Es war eine sehr gelungene Veranstaltung, die harte Darstellung war notwendig, um das ganze Grauen darzustellen. Die Störung passt in sofern ins Bild, dass dokumentiert wird, dass so etwas noch existiert." Auch Margarete Holzmann und Margot Zmarzlik lobten die Veranstaltung. Margot Zmarzlik bedauerte aber auch, "dass die politische Prominenz von Waldkirch nicht anwesend war".

Einen Tag später fand schließlich noch eine Podiumsdiskussion im Geschwister-Scholl-Gymnasium statt, bei denen die gesamte zehnte Klassenstufe die Möglichkeit hatte, Fragen an die Zeitzeugen und an Margot Zmarzlik zu stellen. Sie erlebten eine Geschichtsstunde wie noch nie. In interessanten Diskussionsrunden stellten die Gäste den Schülern mehr als zwei Stunden lang ausführlich und detailliert die damalige Situation dar. "Wie schafft man es, sich über derart traumatische Erlebnisse hinwegzusetzen", fragte ein Schüler die Zeitzeugen. "Ich habe immer Menschen gefunden, die sich für mich eingesetzt haben", antwortete Heinz Droßel. "Doch", fügte er nach einer kurzen Pause hinzu, "Es gibt Dinge, über die man nicht hinwegkommen kann." Auch diese schulinterne Veranstaltung wurde sowohl von den Zeitzeugen als auch den Schülern gelobt und reihte sich nahtlos an die Veranstaltung am Dienstag an. Das große Interesse und die große Aufmerksamkeit der Schüler und Schülerinnen sind exemplarisch für die durchweg positive Resonanz nach beiden Veranstaltungen.

Der Autor: Christian Thol ist Schüler der 12. Klasse am Geschwister-Scholl-Gymnasium Waldkirch

 

Vorbericht in der BZ vom 24.1.04

Zeitzeugen des Völkermords

Gedenkveranstaltung am GSG WALDKIRCH

Am kommenden Dienstag, 27. Januar, findet um 19 Uhr in der Stadthalle Waldkirch eine Gedenkveranstaltung an die Opfer des Völkermords während des Nationalsozialismus in Litauen statt. Veranstalter ist die "Geschichtsprojekt AG" des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Waldkirch. Unter den geladenen Gästen befinden sich die Zeitzeugen Heinz Drossel, Margarete Holzmann sowie Margot Zmarzlick, Gründerin des Hilfsfonds "Jüdische Sozialstation e.V. - Ghetto - Überlebende Baltikum". Die ausschließlich aus Schülern bestehende Arbeitsgemeinschaft unter der Leitung von Ulrich Fischer-Weissberger wird die Besucher an diesem Abend durch das Programm führen. Den Rahmen stellen diverse Ansprachen und Lesungen aus literarischen Werken dar, unter anderem liest Margarete Holzmann aus dem Buch ihrer Mutter Helene Holzman "Dies Kind soll Leben". Für passende musikalische Untermalung wird Herr Zickgraf sorgen. Interessierte jeglichen Alters sind herzlich eingeladen der Veranstaltung beizuwohnen, der Eintritt ist frei.

Christian Thol