Eine Website zu Projekten aus dem Unterricht und außerunterrichtlichen Bereich von

Ulrich Fischer-Weissberger

Lehrer am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Waldkirch

Startseite                                               Start-Beruf                                             Sachtexte

 
 

Stuttgarter Zeitung, Samstag, 31. Juli 2004

Wo arische Männer in den Kampf ziehen

Schüler bringen Diskussion um zwei Nazi Bilder im Waldkircher Rathaus in Gang

Die südbadische Kleinstadt Waldkirch pflegt das Gemächliche. Sie hat sich in den Kreis der Slow Cities aufnehmen lassen, der Städte, die Wert legen auf eine geruhsame und nachhaltige Entwicklung, Auch in Sachen Vergangenheitsbewältigung wird hier nichts überstürzt.

Von Ute Köhler

Manche Geschichten kommen einfach immer wieder hoch. In Waldkirch ist es die eigene Geschichte während der Nazizeit. Und weil die Waldkircher bisher keine große Lust hatten, sich mit diesem Thema dauerhaft zu befassen, wird auch dieser Umstand immer wieder öffentlich diskutiert.

Dabei hätte die Kleinstadt im Landkreis Emmendingen nach dem Krieg einiges aufzuarbeiten gehabt: den Umstand, dass der Kriegsverbrecher Robert Wagner, den man zu seiner Zeit den "Henker des Elsass" nannte, bis Mitte der 80er Jahre Ehrenbürger der Stadt war. Dann wurde ihm die Ehre kurzerhand, aber ohne größere Diskussion, aberkannt. Oder den Fakt, dass der Massenmörder Karl Jäger, der schon vor der Wannseekonferenz die Ermordung von 200000 Juden in Litauen organisiert hat, ein Waldkircher war. Schließlich hängen da auch immer noch im Aufgang des Waldkircher Rathauses die Gemälde eines gewissen Josef SchroederSchoenenberg - "übelste Nazipropaganda" nennen Kritiker die Schinken. Diejenigen, die sich nicht so sehr gestört fühlen, nennen sie Zeitdokumente. Gerade mit diesen Gemälden, die Schroeder Schoeneberg in den 40er Jahren im Auftrag der Stadt Waldkirch angefertigt hat, beschäftigt man sich in der 20 000 Einwohner Stadt immer wieder einmal. Zuletzt war die örtliche SPD im Jahr 1985 der Ansicht, die erst 1976 wieder aufgehängte "Blut und Boden Propaganda" gehöre vielleicht ins Museum, nicht aber in den Eingangsbereich des Rathauses. Die Christdemokraten dagegen hatten keinerlei Bedenken, und einer der ihren meinte damals, wenn man damit anfangen wollte, dann könnte man sich ja zumal als Nachgeborener "täglich von irgendwas distanzieren". Die Sache ging damals auf typisch badische Art aus: Die Bilder blieben hängen, wurden aber mit Texttafeln versehen.

Schüler befragen Kriegsteilnehmer

Nun aber haben sich Schüler des Waldkircher Geschwister-Scholl-Gymnasiums der einstigen "Durchhaltebilder" angenommen, die nicht nur rassenreine arische Menschen zeigen, sondern auch tapfere deutsche Soldaten, die frohgemut in den Kampf ziehen. Dass die Kriegswirklichkeit eine andere war, haben die Schüler schon von dem inzwischen 87 Jahre alten Zeitzeugen Heinz Droßel erfahren. Ihn haben sie schon mehrfach für ihre Videoprojekte interviewt, und er hat ihnen erzählt, wie viel Angst, Schmerz und Verzweiflung das Leben im Schützengraben in Wahrheit bedeutet hat.

Unter der Anleitung ihres Geschichtslehrers Uli Fischer Weissberger haben sich die 15- bis 18- jährigen daraufhin ausführlich mit den naiven "Nazischinken" beschäftigt. Sie haben einen Videofilm über die Bilder und ihre Entstehungsgeschichte gedreht, haben Waldkircher Bürger dazu befragt und schließlich auch selbst Stellungnahmen abgegeben. Als der Film schließlich auf Wunsch des Waldkircher Jugendgemeinderats öffentlich vorgeführt wurde, ist eine Diskussion in Gang gekommen, die nach Ansicht von Fischer Weissberger heute anders geführt wird als vor 20 Jahren: "Man kann inzwischen entspannter über diese Dinge reden."

"Als Dokumente ins Museum"

Vor allem die Jugendlichen, die seit Jahren Waldkirchs NS- Geschichte aufarbeiten, sind alle der Meinung: Die Bilder müssen aus dem Rathaus entfernt werden. Während einige darunter auch Helmut Strittmatter, der Rektor des Geschwister Scholl Gymnasiums dafür plädieren, die künstlerisch nicht gerade wertvollen Bilder gleich ganz zu vernichten, neigt eine Mehrheit dazu, sie als geschichtliche Dokumente im Waldkircher Museum unterzubringen. Ein ähnlicher Stimmungswandel ist nach Einschätzung des Geschichtslehrers Fischer Weissberger inzwischen auch bei den älteren Bürgern der Stadt in Gang gekommen.

Ein neuerlicher Gemeinderatsantrag, die Bilder Schroeder Schoenebergs aus dem Rathaus zu entfernen - die SPD hat ihn bereits in Aussicht gestellt - dürfte unter diesen Umständen größere Erfolgsaussichten haben als der vor 20 Jahren. Bürgermeister Richard Leibinger (SPD) wird es recht sein. Er hat schon beim letzten Mal dafür plädiert, die "Nazibilder" (Leibinger) abzuhängen und stattdessen im Museum unterzubringen.