Eine Website zu Projekten aus dem Unterricht und außerunterrichtlichen Bereich von

Ulrich Fischer-Weissberger 

Lehrer am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Waldkirch

 
Die Badische Zeitung zur Veranstaltung zu den Naziwandbildern im Rathaus vom 22.7.2004

Badische Zeitung vom Dienstag, 20. Juli 2004

Jugendliche und Senioren reden über Nazibilder

Diskussion im Haus der Jugend WALDKIRCH (sti).

 

Immer wieder haben sie für Gesprächsstoff gesorgt: Die Bilder von Josef Schroeder-Schoeneberg aus dem Jahr 1941, die im Aufgang zum Bürgersaal des Rathauses unter anderem bewaffnete Wehrmachtssoldaten zeigen. Nach längeren Debatten entschied der Waldkircher Gemeinderat im Juni 1988 die Bilder im Flur zu belassen und mit erläuternden Texten zu versehen. Jetzt wächst die nächste Generation heran und fragt, wie diese Bilder und die Entscheidungen über sie entstanden.In diesem Sinne lädt der Jugendgemeinderat am Donnerstag, 22. Juli, 19 Uhr, ins Haus der Jugend (Kollnau) ein. Mitveranstalter des Abends ist der Ortsseniorenrat. Zu Beginn des Abends wird eine Dokumentation gezeigt, die in der Geschichts-AG des Gymnasiums entstand und sowohl die Bilder im Rathaus erläutert als auch Stimmen von Waldkirchern einfing, ob diese Art Propaganda im Rathaus am rechten Platz ist oder nicht."Den Film kann und muss man zeigen", findet Laura Martinez de Albeniz Seemann (Jugendgemeinderätin) in einem Pressegespräch. "Er soll zum Nachdenken anregen und wir wollen uns informieren". Es gehe nicht darum, die Diskussion über den Verbleib der Bilder im Rathaus neu zu entfachen, sagt sie; später ergänzt sie, dass sie es durchaus merkwürdig findet, diese Bilder gerade an einer Stelle zu zeigen, an der auch Gäste aus den ausländischen Partnerstädten bei Feierlichkeiten in den Bürgersaal vorüber gehen. "Das Rathaus soll doch ein Ort sein, an dem sich die Bürger wohl fühlen".Werner Gehrke, Vorsitzender des Ortsseniorenrates, will gern mit den Jugendlichen ins Gespräch kommen. Er selbst erlebte den Krieg als Kind im Ruhrgebiet - mit fürchterlichen Bombardements. Die Bilder im Rathaus geben für ihn nicht die Realität des Nationalsozialismus wieder, die er und viele andere durchleben musste.

 

 

Badische Zeitung vom Samstag, 24. Juli 2004

"Ins Museum oder auf den Müll"

Filmvorführung und Diskussion über die Nazipropaganda-Bilder von Josef Schröder-Schoenenberg im Waldkircher Rathaus

Von unserer Redakteurin Sylvia Timm

1942 wurde der Maler Schröder-Schoenenberg beauftragt, das Bild "Die neue Zeit" als zweites Wandbi ...mehr WALDKIRCH. Auf der Filmleinwand sehen die Zuschauer im Haus der Jugend den beschaulichen Marktplatz, dann die Treppe zum Bürgersaal im Rathaus, plötzlich ein großes Wandgemälde mit bewaffneten Soldaten - augenscheinlich aus dem 2. Weltkrieg, als Beschützer von Mutter und Kind und dem säenden Bauern. Bildschnitt: Kanonenfeuer, Waffenlärm . . .Was im Haus der Jugend gezeigt wird, ist ein Film der Geschichts-AG des Geschwister-Scholl-Gymnasiums über die Bilder des Nationalsozialisten Josef Schröder-Schoenenberg, die bis heute im Waldkircher Rathaus zwei Wände füllen. Die Jugendlichen stellen Geschichte in und nach dem Krieg dar: Die 1945 einmarschierenden Franzosen übertünchen die Bilder, im Dezember '45 beschließt der Gemeinderat sie zu entfernen. Elf Jahre später wird das erste von zwei Bildern bei Renovierungsarbeiten frei gelegt; 1976 beschließt der Gemeinderat sie zu restaurieren und offen zu zeigen. Die Diskussion geht weiter und endet 1988 vorläufig mit einem Kompromiss "auf kleinstem gemeinsamen Nenner": Die Bilder bleiben und werden mit Texttafeln versehen. Jetzt fragt die nächste Generation "Will diese Bilder überhaupt jemand im Rathaus haben?" Ganz im Gegensatz zu vorangegangenen Debatten spricht sich die Mehrheit der Zuschauer im Haus der Jugend für das Verdecken und Entfernen der Bilder aus: "Sie gehören nicht an einen Ort der Demokratie, wie es das Rathaus sein soll", sagt einer. Ein Museum sei der richtige Platz sagen viele der Jugendlichen, dort könne man sie in einen Zusammenhang stellen und sich damit auseinander setzen.Sechzehn Jahre nach der letzten größeren öffentlichen Debatte hat der Waldkircher Jugendgemeinderat das Thema wieder an die Öffentlichkeit gebracht und bat den Ortsseniorenrat sich mit am Gespräch zu beteiligen, um mehr über die Vergangenheit zu erfahren. Vorangegangen war das Filmprojekt am GSG, das auch eine Befragung unter Waldkirchern einschloss. Im Film äußert sich niemand so deutlich gegen die Bilder wie im Haus der Jugend. Die gefilmten Geschäftsleute und andere Waldkircher meinen überwiegend, man könne die Bilder auch als Mahnung betrachten, außerdem sind sie ja mit Erläuterungstafeln versehen, und überhaupt: "S' isch halt auch G'schichte gsi', in Gott's Name". Die Projektbeteiligten selbst fordern mehrheitlich, die Bilder ins Museum zu verbannen. Mathias Rebholz (im Jugendgemeinderat) geht im Haus der Jugend noch weiter: "Die Bilder gehören in den Müll". Ein Junge äußert sich betroffen, dass er nun schon die zweite weiterführende Schule besucht, aber durch den Film zum ersten Mal mit diesen Dingen konfrontiert werde. Nationalsozialismus war bislang für ihn "weit weg", aber nicht "vor der Haustür".Michael Behringer, CDU-Gemeinderat und stellvertretender Bürgermeister, hält den Kompromiss von 1988 für weiterhin tragfähig, wenngleich man die Erklärungen deutlicher machen könnte. Walter Schlecht, der sich im Arbeitskreis "Widerstand und Arbeitergeschichte Waldkirch" intensiv mit der braunen Vergangenheit beschäftigt hat, weist auf die Rolle von Schröder-Schoenenberg hin: Er gestaltete deutschlandweit verbreitete Propagandaplakate für die Nazis und war in der Judenverfolgung aktiv."Dass so etwas noch öffentlich gezeigt wird, halte ich persönlich für einen Skandal", sagt der GSG-Geschichtslehrer Uli Fischer-Weissberger. Auch Rektor Helmut Strittmatter findet, man sollte die Bilder nicht verhängen, verdecken oder mit einer Stellwand und Fotos vom Grauen des Krieges konfrontieren - so wie Klaus Max Fehrenbach vorschlägt - sondern vernichten. Werner Gehrke, Vorsitzender des Ortsseniorenrates, äußert sich in Kollnau, wenn auch nicht mit voller Rückendeckung seiner Kollegen, ähnlich und bekommt viel Beifall.Heinz Droßel, Retter in Uniform, sagt im Film: Krieg - das sind aufgefetzte Leiber. Er schäme sich, dass diese Bilder noch immer im Rathaus zu sehen sind.Der Historiker Wolfram Wette, ebenfalls im Film zu sehen, betont in Kollnau, ein Mahnmal könne nur etwas sein, was die heute Lebenden selbst entwickeln. Armin Welteroth, vor 20 Jahren JuSo-Sprecher und bald Fraktionsvorsitzender der SPD-Ratsfraktion, kündigt an, das Thema wieder auf den Tisch zu bringen. Mehrfach wird der Jugendgemeinderat ermutigt, einen Antrag an den Gemeinderat zu stellen. Bürgermeister Leibinger sagt: "Ich bin jederzeit bereit, die Diskussion wieder zu führen." Bildunterschrift 1942 wurde der Maler Schröder-Schoenenberg beauftragt, das Bild "Die neue Zeit" als zweites Wandbild im Aufgang zum Bürgersaal im Rathaus zu malen. Heute sind beide mit Texttafeln versehen. FOTO: SYLVIA TIMMzugehöriger Artikel "Ins Museum oder auf den Müll"Filmvorführung und Diskussion über die Nazipropaganda-Bilder von Josef Schröder-Schoenenberg im Waldkircher Rathaus.

 

KOMMENTIERT

Wichtige Diskussionen

Nicht jede Woche ist so gehaltvoll an wichtigen Diskussionen wie die zurückliegende. Allein in Waldkirch gab es drei Themen, die viele Menschen betreffen und auch langfristig von Bedeutung sind: Die Entscheidung um den weiteren Ausbau der Stadtwerke - um sich von großen, eher autonom agierenden Unternehmen unabhängiger zu machen; die Diskussion um das Kernkraftwerk Fessenheim im Gemeinderat - über die wir am Montag noch ausführlich berichten werden, die aber mit der einhelligen Forderung nach Schließung des Kraftwerkes schloss; und am Donnerstagabend die vom Jugendgemeinderat angestoßene und gemeinsam mit dem Ortsseniorenrat veranstaltete Diskussion um die Nazibilder im Waldkircher Rathaus.Vor allem in den letzten zwei Diskussionen (die Vergabe der Gaskonzession war bereits nichtöffentlich vorberaten gewesen) sah man das deutliche Bemühen aller, sich sachlich mit einer schwierigen Materie auseinander zu setzen. Langwierig, aber letztlich erfolgreich war dies beim Thema Fessenheim, da die Meinungen der Fraktionen gar nicht so weit auseinander lagen. Aber nicht zuletzt Bürgermeister Leibinger ist es zu verdanken, dass die Diskussion nicht vertagt wurde, sondern sich alle Fraktionen einem Konsens annäherten, der durchaus über den "kleinsten gemeinsamen Nenner" hinausging. Schließlich wären wir alle betroffen, wenn es im gerade 35 Kilometer Luftlinie entfernten Fessenheim zum Super-GAU käme. Die Diskussion um die Nazi-Bilder im Rathaus hat, angestoßen von der nächsten erwachsen werdenden Generation, erneut begonnen. Ich wünsche mir sehr, dass die sehr gute Gesprächskultur, die am Donnerstag im Haus der Jugend herrschte, Fortsetzung findet. Die Schubladen, die bei der letzten Diskussion in den 80er-Jahren allzu schnell aufgezogen wurden, um Leute und Meinungen hineinzustopfen, sollten geschlossen bleiben. Sachliche Auseinandersetzung ist wichtiger!

Sylvia Timm

 

Baden-Württemberg

Badische Zeitung vom Dienstag, 27. Juli 2004

Umstrittene Nazi-Bilder

Vor allem Waldkircher Jugendliche lehnen die Gemälde ab

Von unserer Redakteurin Sylvia Timm WALDKIRCH.

Fast 20 Jahre nach der bislang letzten Diskussion um die "Nazibilder" im Waldkircher Rathaus haben die Geschichts-Arbeitsgemeinschaft des Geschwister-Scholl-Gymnasiums und der Waldkircher Jugendgemeinderat eine neue Debatte angestoßen. Die Geschichts-AG hat einen etwa halbstündigen Film veröffentlicht, der sich mit der Entstehung und Bedeutung der zwei großflächigen Wandbilder von Josef Schröder-Schoenenberg auseinander setzt, die im Aufgang zum Bürgersaal des Rathauses zu sehen sind. Der Maler, bekennender Nationalsozialist, Propagandist und unrühmlich bekannt aus der Judenverfolgung, malte die Bilder im Auftrag der Stadt. Nach dem Krieg waren sie übermalt, das erste bei Restaurierungsarbeiten 1956 aber wieder frei gelegt worden.In den 70er-Jahren ließ der Gemeinderat nach langer Diskussion die Bilder wieder herstellen und zeigen; 1985 lehnte der Rat den Antrag ab, statt ihrer zeitgenössische Kunst auszustellen. Unbekannte übersprühten die Bilder. 1988 beschloss der Gemeinderat, die Bilder zu renovieren, im Rathausflur zu belassen und mit vier erläuternden Texttafeln zu versehen. Das Thema schlug damals hohe Wellen.Die Gymnasiasten befragten nicht nur Faschismusgegner wie Heinz Droßel, den "Retter in Uniform" aus Simonswald, oder den Historiker Wolfram Wette, sondern auch Bürger. Vor allem Geschäftsleute äußerten sich zurückhaltend, nannten den Kompromiss von 1988 akzeptabel. In einer vom Jugendgemeinderat angeregten und vom Ortsseniorenrat mitveranstalteten Diskussion votierten vor allem Jugendliche dafür, die Bilder nur im Museum zu zeigen und sie in ein Gesamtkonzept einzubinden. Jugendliche, aber auch der Direktor des Gymnasiums verlangten die Vernichtung der "Propaganda-Schinken".Auch der Vorsitzende des Ortsseniorenrates will die Bilder verbannen, da sie das Grauen des Krieges ausblendeten. Armin Welteroth, der künftige SPD-Fraktionssprecher, will das Thema erneut in den Gemeinderat bringen. Bürgermeister Richard Leibinger (SPD) ist "jederzeit bereit, die Diskussion wieder zu führen".

 

Ein Leserbrief

Zum Beitrag "Ins Museum oder auf den Müll", BZ vom 24. Juli.

Nicht entfernen

Mal wieder eine Vergangenheits-Debatte in Waldkirch, diesmal ausgelöst von einem Film der Geschichts-AG des Geschwister-Scholl-Gymnasiums? Erfreulich, sind kommunalpolitische Debatten um solche Themen in letzten Jahren rar geworden. Nur schade, dass sich die engagierten Junghistoriker für die schlichteste Lösung im Umgang mit den Nazi-Bildern im Waldkircher Rathaus aussprechen. Ins Museum oder gleich ganz übermalen, legen die Schüler nahe. Das Rathaus sei der denkbar schlechteste Ort für solche Propagandakunst, pflichten Kommunalpolitiker und Bürger bei. Aber ist nicht das Gegenteil richtig, wenn Geschichte lebendig vermittelt werden soll? "Geschichte bewältigt man nicht durch Liquidation, sondern in dem man sich mit ihr auseinander setzt", sagt der Berliner Architekt Volkwin Marg, der die Renovierung des Berliner Olympia-Stadions besorgt hat, das am Wochenende neu eröffnet wurde. Marg hat Recht. Wer immer diese Arena besuchen wird, muss an die Spiele von 1936 denken, die Hitler als Propaganda-Spektakel für sein Regime missbraucht hat. Das kann nicht schaden. So könnte es auch - im Kleinen - mit den Gemälden im Waldkircher Rathaus sein. Die Bilder wurden 1942 als Durchhaltepropaganda plumpster Art vor dem Ratssaal angebracht. Uns erinnern sie heute daran, dass die rassistische Ideologie des NS-Staats bis in die Amtstuben eines badischen Provinz-Rathauses wirkte. Sie verstören uns, weil wir sie an einem Ort vorfinden, an dem seit nunmehr 50 Jahren alltäglich Demokratie geübt wird. Gerade deshalb sollten die Bilder im Waldkircher Rathaus bleiben. Zusammen mit Kommentartafeln, wie sie 1986 angebracht wurden. Nur hier kann dieses banale Blut-und-Boden-Fresko Fragen aufwerfen und den Betrachter auch heute noch empören. Der beste Ausgangspunkt, um sich mit Geschichte zu beschäftigen. Die Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums liefern mit ihrem Film den Beleg für diese These. Hätte die Geschichts-AG ihren Film wirklich gedreht, wenn Schröder-Schoenenbergs künstlerisch bedeutungslose Bilder im Heimatmuseum hängen würden? Sicher ist, dass es den Film nie gegeben hätte, wenn man die Nazi-Gemälde nach der letzten Debatte von 1986 unter dem Wandputz versteckt hätte. Deshalb sollten die Waldkircher jeder Generation die Chance geben, sich mit diesem Fremdkörper im Rathaus auseinander zu setzen. Angst vor seiner Propagandawirkung braucht heute niemand mehr zu haben. Soviel Vertrauen hat die Demokratie verdient. Benno Stieber, Karlsruhe Benno Stieber machte 1993 sein Abitur am Geschwister-Scholl-Gymnasium. Seine Diplomarbeit schrieb er über den Münchener Widerstands kämpfer Fritz Gerlich.

 

Kommentar Weissberger

Diese Argumentation begegnet einem häufig in Bezug auf die Nazipropagandabilder im Rathaus. Meines Erachtens übersieht der Autor, dass diese Bilder ein Nazimachwerk sind und eine Beleidigung für jedes Rathaus und vor allem für die Besucher, die sich ihnen aussetzten müssen.

Herr Fontheim, der seine ganze Familie im Holocaust verlor, sagte mir, dass er ein solches Rathaus nicht betreten werde. Schüler berichteten, dass ausländische, z.B. polnische, Gastschüler konsterniert vor diesen Bildern gestanden hätten.

Wir wären froh gewesen, wenn wir einen anderen Film hätten drehen können, und wir werden es auch tun und dieser Film wird sich mit den Menschen beschäftigen, die es wert sind, nämlich mit Opfern des Holocausts.

Durch diese Bilder wird Geschichte nicht lebendig vermittelt, durch ihre Anwesenheit werden die Opfer der Nazis weiterhin im Rathaus verhöhnt.

 

 

Die Reaktion von Herrn Stieber auf den obigen Kommentar

 

Lieber Herr Fischer-Weissberger, ich habe gerade gesehen, dass sie meinen Leserbrief in der „Badischen Zeitung“ auf Ihrer Homepage dokumentieren und kommentieren. Zunächst muss ich Ihnen ein Kompliment machen. ich konnte ihren Film, den Sie mit Ihrer Projektgruppe über Herrn Drossel gemacht haben auf DVD sehen, und ich finde ihn sowohl inhaltlich sehr beeindruckend als auch technisch ganz hervorragend. Sie haben da ganz offensichtlich ein tolles Team.
Ich selbst war während meiner Zeit am Geschwister-Scholl-Gymnasium in verschiedenen Projektgruppen engagiert, die sich mit dem Elztal im Dritten Reich beschäftigt haben. Dokumentarfilme haben wir damals leider noch nicht gedreht.
Da Sie sich so vorbildlich mit ihren Schülern mit der Nazivergangenheit auseinandersetzen, finde ich es umso bedauerlicher, dass Sie es sich aus meiner Sicht mit den Rathausbildern etwas einfach machen. Anders als sie auf ihrer Homepage schreiben, übersehe ich keineswegs, dass es sich bei den Rathausbildern um Nazimachwerke handelt. Ich billige den Bildern keinerlei künstlerischen Wert zu. Aber sie haben - so denke ich - einen historischen Wert. Sie dokumentieren nämlich, dass die Nazipropaganda in alle Lebensbereiche eingegriffen hat. Sie haben einen Wert als Stein des Anstoßes, als Anlass, sich immer wieder mit der Nazivergangenheit auseinander zu setzten. So, wie sie es mit ihrem Film getan haben.
Natürlich respektiere ich die Gefühle von Naziopfern angesichts solcher Propagandawerke in öffentlichen Räumen. Natürlich will jemand alle Spuren eines Regimes tilgen, das seine Familie umgebracht und ihn selber gequält hat. Das ist nur allzu verständlich. Aber der Ratschlag der Betroffenen im Umgang mit der Vergangenheit muss nicht automatisch auch der Richtige sein. Welche Ansatzpunkte haben künftige Generationen sich mit dem Naziregime auseinander zu setzten, wenn alle Zeitzeugen tot sind? Dann bleiben nur Dokumente, Bauten und eben auch solche Propaganda-Machwerke wie die Rathausbilder. Aus keinem anderen Grund erhält man bis heute Gedenkstätten wie im früheren KZ Dachau.
Wenig Verständnis habe ich übrigens, wenn Gastschüler mit ihrer Verstörung über die Bilder allein gelassen werden. Warum gibt man den deutschen Schülern als Lehrer nicht das Wissen mit auf den Weg, damit sie erklären können, wie diese Bilder in das Treppenhaus des Rathauses gekommen sind? Warum werden die Bilder nicht in den Geschichtsunterricht am GSG eingebaut? Als Beispiel, wie früher Propaganda funktioniert hat? Das wäre Heimatkunde im besten Sinne.
und erlauben Sie mir noch einen Kommentar zu ihrem Kommentar auf der Homepage: Wenn Sie schreiben, sie würden sich lieber mit Leuten beschäftigen, die es verdient haben, anstatt mit solchem Nazischund, ist das eine seltsame Einstellung für einen Historiker. Was würden sie von einem Botaniker halten, der nur die schönen Pflanzen erforschen will, Stinkmorchel und Giftpflanzen aber links liegen lässt? ich arbeite als Journalist und kann es mir nicht leisten nur mit angenehmen und moralisch einwandfreien Zeitgenossen zu sprechen.
Wir wüssten ziemlich wenig über das Dritte Reich, wenn Historiker davor zurückgeschreckt wären, die Tagebücher von Goebbels oder die Wannsee-Protokolle anzufassen. Da muss man schon ran, wenn man etwas über ein Terrorregime erfahren. Im Übrigen hat gerade Wolfram Wette, der Sie ja in seinem Anliegen um die Tilgung der Bilder unterstützt, mit seiner Dokumentation über den hoch geachteten Waldkircher Bürger und Massenmörder Karl Jäger gezeigt, wie lohnend und zugleich schmerzhaft es für einen Ort sein kann, sich mit den "Stinkmorcheln" unter ihren Bürgern zu beschäftigen.
Wie gesagt, es ist allein das Verdienst Ihrer Projektgruppe, dass wir wieder über die Rathausbilder diskutieren. Hoffentlich weniger ideologisch und unsachlich als beim letzten Mal. Für solche Diskussionen braucht es Anlässe. Wenn Sie so wollen, Stolpersteine an denen sich auch nachfolgende Generationen stoßen. Für mich sind die Rathausbilder solche Stolpersteine.
Wolfram Wette hat immer von der "Deckeldrauf-Fraktion" gesprochen, die verhindern wollte, dass er über Karl Jäger forscht. Ich denke, wer die Bilder verschämt verschwinden lassen will, sei es aus einer noch so lauteren Grundhaltung, stülpt ebenfalls den Deckel über einen Teil der Waldkircher Geschichte.
Deshalb lassen Sie uns doch lieber darüber diskutieren, wie man die Bilder besser kommentiert, etwa Schrifttafel in verschiedenen Sprachen anbringt. Für mich spricht auch nichts gegen eine künstlerische Verfremdung der Bilder, wenn es dafür einen guten Künstler und ein gutes Konzept gibt. Wie wäre es mit einem historischen Gesamtkonzept, in das auch die Erkenntnisse über Karl Jäger und andere Figuren in Waldkirch zwischen 1933 und 1945 integriert werden und den alltags unter einer Diktatur in einer kleinen Stadt in Deutschland zeigen. Ein historischer Spaziergang durch das Elztal vielleicht? Das könnte eine lohnende Aufgabe auch für die Geschichts-AG sein. Ich finde hier sollte die Diskussion weiter gehen und nicht bei den kommunalpolitischen Grabenkämpfen aus den 80ern.
Ich wünsche Ihnen und ihren Schülern viel Erfolg bei Ihren künftigen Projekten, die hoffentlich auch weiterhin lieber aufdecken als verstecken.

 

Beste Grüße,

 

Benno Stieber