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Ulrich Fischer-Weissberger 

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Völkermord in Litauen, Veranstaltung am 27.1.2004 in Waldkirch

 

„Es gibt Dinge, über die man nicht hinwegkommen kann“. (Heinz Droßel)

 

Trotz des dichten Schneefalls fanden sich am vergangenen Dienstagabend viele Leute im Foyer der Stadthalle in Waldkirch ein. Anlass war der Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Das Geschichtsprojekt des Geschwister-Scholl-Gymnasiums hatte sich in diesem Schuljahr intensiv mit den schrecklichen Verbrechen der Nazis in Litauen beschäftigt und die Schülerinnen und Schüler stellten die Ergebnisse ihre Arbeit vor.

 

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand jedoch die Lesung von Frau Margarete Holzman. Sie und ihre Mutter überlebten den Holocaust, ihr Vater und ihre Schwester wurden von den Nazis umgebracht. Frau Margarete Holzman las aus den Aufzeichnungen ihrer Mutter (, die diese unter dem Eindruck der schrecklichen Entbehrungen der Terrorherrschaft aufgeschrieben hatte; unlängst hatte Frau Holzman den Geschwister-Scholl-Preis dafür bekommen.

 

Nach einführenden Worten des Schulleiters OstD Dr. Strittmatter las ein Schüler das Gedicht „Ist das ein Mensch“ von Primo Levi vor. In diesem Gedicht mahnt uns Primo Levi – er überlebte Auschwitz und gab sich später den Freitod, die Verbrechen in den Kzs niemals zu vergessen.

 

Dies seien auch die Motive für diese Veranstaltung, betonten einführend Herr Fischer-Weissberger, der Leiter des Geschichtsprojekts und Philipp Ruppenthal, der Schülersprecher des Geschwister-Scholl-Gymnasiums.

 

Frau Margot Zmarzlik, Gründerin des Hilfsfonds „Jüdische Sozialstation e.V. Ghetto-Überlebende Baltikum“ schilderte in bewegenden Worten das Schicksal des Jungen Edmundas Zeligmanas, der mit der Hilfe von Nachbarn als einziger seineer Familie überlebte und heute für den Hilfsfonds tätig ist. Jährlich leitet der Fond 60.000 € für die Therapie Pflegebedürftiger, für Medikamente und die Rehabilitation weiter.

 

Danach wurden die grausamen Verbrechen an den Juden an Herrn Droßels Erfahrungen – er musste ein Massaker mit ansehen – gezeigt.

 

Daniel und Magdalena stellten daraufhin das Vorgehen der deutschen Besatzungsmacht, die Ghettoisierung und Ermordung der Juden, speziell in Kaunas, der damaligen Hauptstadt Litauens, dar.

 

Es folgte die Lesung von Frau Holzman, eingeleitet durch eine Schülerin.

 

Den Bezug zu Deutschland und den badischen Raum stellte ein Referat über das Schicksal von 1000 Münchner Juden her. Unter diesen 1000 Menschen, die im Fort VII in Kaunas ermordet wurden, befand sich, wie die Schüler recherchiert hatten, auch das Mädchen Hanna Baumann aus Schmieheim bei Lahr, Baden. Der dortige Kindergarten ist nach diesem Mädchen benannt.

 

Lange in Waldkirch lebte, wie zwei Schülerinnen abschließend referierten, Karl Jäger, der Organisator und Buchhalter der Massenmorde in Litauen. Seine Menschenverachtung kontrastierten die  Schülerinnen mit dem gutbürgerlichen Habitus seiner Erscheinung in Waldkirch; dies wurde durch Zitate aus dem sogenannten Jägerbericht und Äußerungen einer Waldkircher Bürgerin belegt. Dass sich dieser Mann bis 1959 unerkannt bei Heidelberg verbergen konnte, sorgte für fassungsloses Staunen. Er brachte sich schließlich nach seiner Ergreifung um.

Abschließend betonten Herr Fischer-Weissberger und Philipp Ruppenthal, dass es den Schülerinnen und Schülern des Geschichtsprojekts darum gehe ihre Verpflichtung gegenüber den Opfern zu zeigen und die Täter und ihre Untaten wahrzunehmen.

 

Hier ein Auszug aus den Abschlussworten von Herrn Fischer-Weissberger:

 

Wir erinnerten uns. - Vergangenes wurde bearbeitet. Vergangenes tritt in unsere Alltagserfahrung. Es bildet sich persönliche Identität. Die Gemeinde, in der wir leben, wird kenntlich. Der Begriff Nation gewinnt konkrete Formen. Wir hoffen, dass wir zur Identitätsfindung in Waldkirch beitragen konnten. Wir haben uns verankert

Das Vergangene kann Geschichte werden.

 

Leider wurde der Abend zum Teil von einem Vorfall überschattet: Eine Gruppe ortsbekannter Rechtsextremer  versuchte die Veranstaltung durch ihre Parolen (wir berichteten davon) zu stören; es gelang ihnen nicht.

 

Trotz dieses unschönen Ereignisses sprachen Veranstalter, Beteiligte, Gäste und Publikum schlussendlich von einem gelungenen Abend. „Es war eine sehr gelungene Veranstaltung, die harte Darstellung war notwendig, um das ganze Grauen darzustellen. Die Störung passt in-sofern ins Bild, dass dokumentiert wird, dass so etwas noch existiert.“, bilanzierte Heinz Droßel den Verlauf der Gedenkveranstaltung. Auch Frau Holzmann und Frau Zmarzlik lobten die Organisation und die reibungslose Durchführung der Veranstaltung.

 

Podiumsgespräch

Am vergangenen Mittwoch früh fand der noch eine Podiumsdiskussion im Geschwister Scholl Gymnasium statt, bei der die gesamte zehnte Klassenstufe die Möglichkeit hatte, Fragen an die Zeitzeugen und an Frau Zmarzlik zu stellen und somit zu Geschichtsstunden zu kommen, wie sie es sicherlich noch nicht erlebt hatten. In interessanten Diskussionsrunden stellten die Gäste den Schülern von 10.45 Uhr bis 13.00 Uhr ausführlich und detailliert die damalige Situation dar.

 

„Wie man es schaffen würde, sich über derart traumatische Erlebnisse hinwegzusetzen“, fragte ein Schüler die Zeitzeugen.„Ich habe immer Menschen gefunden, die sich für mich eingesetzt haben“, antwortete Herr Droßel, „Doch“, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu, „Es gibt Dinge, über die man nicht hinwegkommen kann.“.

 

Auch diese schulinterne Veranstaltung wurde allseits positiv aufgenommen, reihte sie sich doch nahtlos an die Veranstaltung vom Dienstag an.

Das große Interesse und die große Aufmerksamkeit der Schüler und Schülerinnen sind exemplarisch für die durchweg positive Resonanz nach beiden Veranstaltungen. Trotz des Wermutstropfen am Dienstagabend ist man sich bereits jetzt sicher, dass es in Zukunft noch viele weitere Veranstaltungen geben muss und geben wird. Lob und Anerkennung gebühren den Gästen und dem „Geschichtsprojekt“, das diese Veranstaltung durch lange Vorbereitungsarbeit erst ermöglichte.